Klimawandel-Weihnachten

«Es sah aus wie auf Bildern aus der dritten Welt. Ein Sandsturm in der Innenstadt. Die Limmat ausgetrocknet, nur noch ein stinkendes Rinnsal. Und all die denkmalgeschützten Häuser nur noch Ruinen. Einer der Türme des Grossmünsters ein Schutthaufen, vom anderen lag die Spitze auch bereits am Boden. Überall Menschen in Lumpen, ich selbst auch. Es musste Weihnachtszeit sein, an einigen Orten brannten Kerzen auf der Strasse. Gerade etwa das Weihnachtsessen, ein sauber gekleideter Mann mit einem roten Halbmond-Abzeichen verteilte Essen. Als ich schweissgebadet erwachte, brauchte ich eine Zeitlang, um zu merken, dass Zürich noch stand. Und ich erinnerte mich, dass ich schon mal so einen Traum hatte.» Stockend berichtet Ruth in der Kaffeepause von ihrem Traum.

«Das hast Du jetzt davon, dass Du all den Schwindel über den Klimawandel verschlingst, wie wenn es Geschichten aus der Regenbogenpresse wären, und den ganzen Schrott erst noch glaubst.» Alex, bekennendes Klimaschweinchen aus der Transportdisposition, unterbrach den Bericht von Ruth mit einem hämischen Grinsen im Gesicht.
Plötzlich wurde es laut in der Runde, alle redeten auf Alex ein. Mit der Zeit wurde es etwas ruhiger. «Alex, Du Rüppel, wie kommst Du darauf, dass sie von den Klimawandelfolgen geträumt hat?», fragte Marlis, die Bürokollegin von Ruth.

«Ist doch klar, da war doch dieser Artikel im Blick, die haben genau solche Bilder gezeigt, weil da irgend eine Stadt in Deutschland eine Studie gemacht hat, was passieren würde, wenn es denn den Klimawandel gäbe», verteidigte sich Alex. «Du dürftest der einzige bei uns sein, der diesen Artikel gelesen hat», meldete sich Andreas. «Offenbar hat Dir dies Eindruck gemacht. Und wirst auch Du jetzt zum Klimaschützer?»

«Alex hat schon recht. Ich habe tatsächlich auch an den Klimawandel gedacht nach dem Aufwachen. Es gibt sicher andere Gründe, auch nicht gerade angenehme Gedanken, für eine solche Veränderung. Alex, und Ihr anderen auch, ich bin ein optimistischer Mensch, ich will nicht Schwarz malen. Wenn ich wach bin, sind für mich die Aussagen der Wissenschaft und der Umweltschutzorganisationen Grund genug, etwas zu tun. Dass ich dann solche Albträume habe, nervt mich zwar, weil ich dann nicht ausgeschlafen bin am Morgen. Wenn ich dann wieder einigermassen wach bin, merke ich, dass für mich die Handlungsmöglichkeiten viel wichtiger sind als die Angst vor dem, dass so etwas passieren könnte. Und im übrigen, Alex: wenn die Menschen wegen des Klimaschutzes weniger mit dem Auto unterwegs sind, hat es auf der Strasse mehr Platz für Deine Lastwagen.»

«Hey, dies sind nicht meine Lastwagen, die transportieren all die Produkte, die Ihr den KonsumentInnen verkaufen wollt – und ein Teil geht ja auch per Bahn weg. Aber Du hast recht, vieles, was das Klima schützen soll, ist eine gute Sache. Lastwagen, die weniger Diesel saufen, kosten weniger im Betrieb. Wenn endlich mal unsere Spedition eine dicke Wärmedämmung bekommt, ist es im Sommer und Winter viel angenehmer zum Arbeiten. Und wenn dann noch die Solaranlage kommt, laufen auch die Compis und das Licht nicht mehr mit Braunkohlestrom aus Deutschland. Aber deswegen gerade Angstträume? Das geht mir zu weit!»

Die einen schütteln leicht den Kopf, andere nicken zu dieser Antwort. Andreas fragt bei Ruth nach: «Du hast gesagt, es sei Weihnachtszeit gewesen in Deinem Traum. Wie hast Du das gemerkt?»

«An verschiedenen Orten brannten Kerzen, und die Helferinnen und Helfer mit dem roten Halbmond verteilten gerade eine Mahlzeit – und die hat sehr gut ausgesehen, das könnte wirklich das Weihnachtsessen gewesen sein. Und dann war ein Klang in der Luft, wie eine Weihnachtsmelodie, von vielen leise vor sich hin gesummt. Dass es auch in einer Klimawandel-Stadt Weihnachten gibt, diese erfreuliche Tatsache hat mich dann auch geweckt.»

Sanftes Lächeln auf den Gesichtern, keine Fragen, keine Diskussionsbeiträge mehr. Still steht die Runde auf und geht ihres Weges.

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