Die sozialen Medien waren in den letzten 17 Stunden in Aufruhr geraten. Ein Tweet des multinationalen Unternehmens @PresentClon versprach das ultimative Geburtstagsgeschenk. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Unternehmens hatten es ihrem CEO Tony Clopfensteen auf den Geburtstag geschenkt. «Clony für Tony» – mitten in einer Sitzung der Geschäftsleitung klopfte es, und als sich die Türe öffnete, stand draussen eine echte Kopie von Tony, nämlich Clony. Auch wenn Klonen zu den Arbeitsschwerpunkten des Unternehmens gehörte, war es das erste Mal, dass ein Klon seinem Original gegenüberstand.
Als die beiden nach der Sitzung durch die Gänge des Bürohauses schritten, war allerdings längst nicht mehr klar, welcher denn nun das Original und welcher der Klon war. Die Chefentwicklerin Svenjia Risido wusste Rat, denn jeder Klon habe auf der Innenseite des linken Ohrläppchens ein Tattoo mit dem lindengrünen Schriftzug «Copy». Nur: Versuchen Sie mal, dem CEO eines Unternehmens so nahe zu kommen, dass Sie einen Blick auf die Innenseite eines Ohrläppchens werfen können!
Das Geschäftsmodell war einfach: Wenn 200 Menschen, die das Original persönlich kannten, 15 Euro 35 Cents spätestens 23 Stunden vor dem Geburtstag auf ein spezielles Konto einzahlten, stand der Klon exakt ein Jahr und 23 Stunden später vor seinem Original.
Auch der Copy-Tattoo-Hinweis von Svenjia machte die Runde, und schon eine Stunde später wurden über hundertausend Tweets mit dem Hashtag #imaclony gezählt, alle mit einem Bild des Innenteils eines linken Ohrläppchens mit einem lindengrünen Tattoo.
In ruhigeren Bereichen der sozialen Medien entstand allerdings zeitgleich der Hashtag #idontwantaclony – dadurch wurde bekannt, dass @PresentClon einen parallelen Geschäftszweig aufgebaut hatte: Wer 55 Menschen, die vom «Original» eingeladen werden mussten, dazu bewegen konnte, 45 Euro einzuzahlen, konnte sicher sein, keine Kopie von sich geschenkt zu bekommen.
Plötzlich begann Clony zu tönen, exakt wie ein Wecker.
Nein, das war der Wecker! Veljeno schrak aus dem Traum auf und schaffte es, den Wecker zu stoppen. Und er erinnerte sich, dass er gestern gestöhnt hatte über die aktuelle Arbeitsbelastung, und da war in der Kaffeepause tatsächlich das Wörtchen Klon genannt worden.
Unter der Dusche, beim kurzen Frühstück, auf dem Weg zum Bahnhof drehten die Traumgeschichten weiter – mal mit guten Argumenten für einen eigenen Klon, mal mit eher noch besseren Argumenten bloss für das Original. Das doppelte Geschäftsmodell mit dem Klongeschenk oder der Anti-Klon-Versicherung passte bestens dazu. Als die Wagentüren der S-Bahn mit weckerähnlichen Tönen schlossen, war der Traum in den Hintergrund getreten. Veljeno schmunzelte, als er in Gedanken Clony aus der Liste der denkbaren Geschenkideen strich. Als er eine halbe Stunde später den Zug verliess, schaute er trotzdem hinter sich. Und da war tatsächlich kein Clony!