Wutentbrannt steht der 11. Dezember vor seinem Chef, dem Kalender. Er knallt mit der Faust auf den Tisch. So gehts nicht weiter, ich brauche ein neues Datum.
Was nicht überall bekannt ist: Tage sind Wesen, was wir in all den Taschenagenden, Wandkalendern und dergleichen sehen, sind Bilder, die zeigen, wie sich die Menschen einen Tag vorstellen.
Warum denn, mein 11. Dezember? Was geht nicht weiter so?
Wer jetzt erwartet, der 11. Dezember würde sich über die Kälte, die langen Nächte oder dergleichen beschweren, hat nicht berücksichtigt, dass der Tag ein globales Ding ist. Die lange und dunkle Nordwinterzeit findet gleichzeitig statt wie die ebenso lange, aber helle Südsommerzeit. Nein, der 11. Dezember hat ein anderes Anliegen. Weisst Du, Kalender, ich bin nicht sehr zufrieden mit meiner Lage im Jahresverlauf. So kurz nach dem Nikolaustag, nur wenige Tage vor Weihnachten. Ich bin ein normaler Tag in dieser festlichen Zeit, gar nicht auffällig, ganz gewöhnlich.
Bei mir sind alle 365 Tage ganz normal, ausser der Schalttag, weil der nur alle vier Jahre an der Reihe ist. Und ich sage Dir, jeder meiner Tage ist etwas ganz besonderes. Darf ich Dich erinnern? Zum Beispiel hast Du vier Nobelpreise vorzuweisen, Robert Koch etwa, ein wichtiger Mensch für die Gesundheit der Menschen. Oder der Physiker Max Born. Nicht zu vergessen die Schriftsteller Alexandr Solschenizin und Naghib Mahfuz. Und weisst Du noch: Dein Datum steht über der Geburtstunde des Kinderhilfswerkes UNICEF.
Ist mir alles bestens bekannt, lieber Kalender. Daran erinnere ich mich wirklich gern. Aber es gibt auch schreckliche Ereignisse an meinem Tag, etwa die Kriegserklärung der Nazis gegen die USA.
Jeder Tag hat dunkle und helle Seiten, das ändert nichts, wenn Du einfach ein anderes Datum bekommen würdest. Und die Menschen haben aus den Tagen Namenstage gemacht – die Todestage der Heiligen. Vielleicht als Erinnerung daran, dass der Jahreslauf mit Werden und Vergehen Symbol ist für die Zuversicht, dass auf dunkle Momente wieder helle Zeiten folgen.
Schon, Kalender, das sehe ich ja alles ein, aber eben, der Nikolaustag und die Weihnachtstage…
11. Dezember, genau darum braucht es Dich genau dort, wo Du jetzt bist: weil es einige Tage braucht zwischen diesen beiden Ereignissen, damit genügend Spannung entsteht. Stell Dir vor, die Kinder müssten eine Nacht weniger schlafen, könnten sich weniger lange auf Weihnachten freuen, nur weil Du ein anderes Datum willst. Und für all die Weihnachtseinkäufe hätte es einen Tag weniger.
Ganz nachdenklich wird der 11. Dezember, schliesst die Augen, verzieht seine zwei Einsen zu einem verklärten Lachen, und summt leise vor sich hin, weihnächtliche Klänge.
Siehst Du jetzt, 11. Dezember? Ich rechne auch nächstes Jahr wieder mit Dir – ganz normal, aber doch besonders!